Aller Anfang ist bekanntlich schwer

Aller Anfang ist schwer, dass war ja bekanntlich schon immer so. Der Start meines Studiums war rückblickend ehrlich etwas überfordernd:  Die Bürokratie, die Masse an Stoff, das Finden der Räumlichkeiten, die Kommilitonen und die völlig fremde Sprache.

Aber man wächst ja bekanntlich mit seinen Aufgaben, so also auch ich. Mein Stundenplan war damals in den 14 Wochen Vorlesungszeit wirklich gefüllt, denn neben den “richtig medizinischen” Fächern Anatomie, Histologie samt Embryologie hatten alle Erstsemestler Molekulare Zellbiologie, Physik und Statistik, Chemie mit einem Zusatzkurs zur Einführung in die Chemie, Terminologie, Präventivmedizin, Kommunikationspraktikum und Fachsprache Ungarisch. Nebenbei gab es auch noch den Wahlpflichtkurs Präperierkurs. Ich war also gut beschäftigt.

Der Anfang des Medizinstudium- die einzelnen Fächer

Im Studium in Pécs wird in Anatomie 1. klassisch mit Gelenken begonnen und langsam tastet man sich zu den knöchernen Extremitäten, Thorax, Wirbelsäule und Schädel. Also die Basics. Danach beginnt ein neues Kapitel, denn nun werden die einzelnen Regionen, also Muskeln, Nerven und Gefäße direkt am Präparat gelehrt und gelernt. Man selbst bekam im Präp-Kurs eine ventrale und eine dorsale Region zugeordnet und mit dem Skalpell sollte diese Region mit so viel Feingefühl wie nur möglich präpariert werden. Jeder, der das schon einmal gemacht hat, weiß um den Wert dieser Stunden, aber kennt genau so die Schattenseiten. Der beißende Geruch von Formalin treibt einen stets Wasser in die Augen, lässt Nasen in Taschentüchern verschwinden und meist vernimmt man noch ein passendes “Uhhhhag” dazu. Das begleitet einen bis zum Abschluss des Faches. Ich hatte einen guten, jungen Dozenten. Er war erst im Sommer Papa geworden und wusste so von den Leiden junger Eltern zu berichten. Wie fast alle Dozenten sprach er sehr gutes Deutsch und beherrschte sein Fach. Beides sehr wichtige Faktoren. So saß ich zusammen mit meinen Kommilitonen an den Edelstahltischen oder standen direkt am Präparat, konnten direkt am Leichnam lernen und dem Dozent beim präparieren zusehen oder Strukturen zeigen lassen und schrieben selbst alles haargenau mit. Was ein Fehler war, denn man hätte mehr mit den Augen lernen sollen. Das wird in Pécs auch im Kolloquium verlangt. Da zieht man seine Theoriethemen und wird dann zum Leichnam zum gefürchteten Leichengang gebeten. Dann fragt der Dozent im ersten Semester alles über die Regionen, Gelenke und deren Bewegungen. Es ist der Eintrittstest, wer hier scheitert, kann meist gleich wieder den Raum verlassen.

In Histo saß man vor einem Mikroskop und arbeitete sich durch alle Grundgewebe, zeichnete alles ab und schrieb die Theorie nieder. Mir hat es stets Spaß gemacht und mir viel es auch den den folgenden Semestern leicht, die Schnitte auseinander zuhalten und zu erkennen. Denn auch das gehört zur Prüfung, zwei unbekannte Schnitte zieht man und sollen nach Möglichkeit erkannt werden und mit Theorie dem Prüfer präsentiert werden. Die Embryologie ist an sich ein sehr interessantes Thema, hatte aber von Anfang an für mich immer ein negatives Bild, da die Dozentin ihr Fachwissen nicht gut vermitteln konnte und man dieses Fach leider dummerweise auch immer isoliert von allem gelehrt und lernt. So bekommt nur schlecht einen Überblick über die komplexen Zusammenhänge und Pécs nimmt die Embryologie sehr ernst, besonders ebenjene Dozentin. In allen drei Fächern wurden alle 3-4 Wochen Testate geschrieben, sodass man stets zum lernen angehalten war. Eigentlich auch ganz gut so. Man saß dann im Hörsaal mit Kuli und einem Zettel mit 50 Spalten bewaffnet da und vor einem per Beamer projiziert lief eine automatisierte Powerpoint-Präsentation. In 30 oder maximal 90 Sekunden liefen einzelne Dias wobei man einzelne Strukturen erkennen sollte, Fragen dazu beantworten sollte oder beides. Der Durchschnitt der einzelnen Teilnoten ergab dabei die Endnote, die mit in die Kolloquium genommen wurde.

Aber man hatte ja nicht nur die makroskopische und mikroskopische Anatomie. Mit 6 Wochenstunden schien man eher Chemie zu studieren. Hier wurde größtenteils noch einmal das Chemiewissen der zweiten Sekundarstufe wiederholt, damit man auf gleicher Ebene mit allen Studenten weiterarbeiten konnte. Mir hat das sehr viel gegeben, da ich die Schulchemie immer verabscheut und auch nicht verstanden hatte. Pflicht waren hier die wöchentlichen 3- Minuten-Fragen die der Dozent verteilte und die man beantworten musste. Insgesamt 7/10 benötigte man für die Prüfungszulassung samt 60% in den Zwischentestaten. Sonst hielt sich die Anwesenheit dann aber in Grenzen, was mir einen Auftrieb gab, denn wenn man statt zu 20 plötzlich nur noch zu fünft ist, kann der Dozent einen wesentlich besser erreichen.

Die Molekulare Zellbiologie war ebenfalls interessant und schwer. Wie auch schon in den vorangegangen Fächern gab es regelmäßige Zwischentestate. Neben den regulären Vorlesungen hatte man Seminare und Praktika, wo man schon mal eine Gel-Elektrophorese machte und diese auswertete, mit einem Elektronenmikroskop arbeitet und Aufnahmen durcharbeitete oder einfach nur DNA, RNA oder andere Sachen isolierte und auswertete. Allerdings wurden die meisten Zusammenhänge in diesem Fach erst im folgenden Semester klar. Die Prüfung hier war auch mündlich, vorher musste man aber ebenfalls einen Minimumtest bestehen.

Die Physik-Praktika haben auch ihren Spaß gemacht. Zusammen mit einem Partner hatte man in einem Raum verschieden Praktika zu absolvieren und musste dies genau protokollieren, um so eine Unterschrift und später auch die Prüfungszulassung zu bekommen. Vom dem Praktikums- und Eintrittstest konnte man sich in einem Testat befreien, dann musste man zu unserer Zeit “nur” noch das “Russisch-Roulett” in der Prüfung schaffen. Zumindest weiß ich ,dass so mancher, der wirklich nichts wusste und keine Frage beantworten konnte, bestanden hat, aber auch umgekehrt haben die, die gut vorbereitet waren, nicht bestanden. Mir ging es leider erst im Rigorosum so.

Zu Ungarisch sollte ich auch noch etwas sagen. Als ich nach Pécs fuhr klang jeder Ortsname auf den Straßenschildern nur nach Gulasch und egal wie man ein Wort versuchte auszusprechen, hatte man einen Knoten in der Zunge. Denn diese Sprache ist mit keiner anderen Sprache die ich spreche auf irgendeine Weise verwandt. Zum Finnischen soll Ungarisch eine entfernte Verwandtschaft haben, denn beide gingen aus der selben Sprache hervor, bevor sie sich geographisch und dann auch sprachlich sehr änderten. Jedenfalls war es am Anfang meiner Medizinerkarriere ein einziges Gräuel, ein Wort oder einen Satz zu lesen. Aber unsere liebe Dozentin gab sich alle Mühe und recht bald konnte man sich vorstellen und beim Bäcker schon mal ordern. Nur leider wird in Pécs in Vorbereitung auf die Klinik eher die medizinische Fachsprache gelehrt und so kann man zwar nach dem Befinden eines Patienten fragen, sich aber sonst leider noch nicht artikulieren. Kommt noch- hoffentlich. Denn diese Sprache gefällt mit mittlerweile, sie hat einen eigenen Klang und eine schöne Melodik.

All die anderen “kleinen” Fächer wie Terminologie, Kommunikationspraktikum oder Präventivmedizin wurden zwar alle mit einem Endtestat abgeschlossen, waren aber weniger aufwendig und somit nicht so interessant und vordergründig. Wie gesagt, im ersten Semester war ich doch mit den großen sechs Fächer mehr als beschäftigt.

Eine Sache, die euch vielleicht noch interessieren könnte. Ich weiß an den meisten deutschen Unis werden die Fächer relativ zackig an festgelegten Tagen geprüft. Natürlich weiß ich auch nur von einer handvoll Bekannten genaueres. Aber hier in Pécs gibt es 7 Wochen Prüfungszeit, in derer man sich seine Prüfungen selbst legen kann. Natürlich sind die meisten terminlich gebunden zum Beispiel Chemie nur donnerstags oder so, aber man kann sich frei entscheiden wann man sich fit genug für eine Prüfung fühlt. Freilich braucht man eine Planung, sonst geriet man dennoch in die Zeitfalle, die jedes Semester einigen Kommilitonen Probleme bereitet, dann man schnell zum schieben neigt und plötzlich nicht mehr genug Termine hat oder generell keine Zeit mehr für einen zweiten oder gar dritten Versuch.


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About the author

Lisa
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Hallöchen, ich bin Lisa.
Seit 2013 studiere ich in Pécs Medizin. Neben dem hohen Arbeitspensum im Studium schreibe ich auf dieser Homepage über mich, mein Studium und was mir sonst so durch den Kopf geht.

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